Herz-Jesu-Verehrung im frŸhen Mittelalter

 

Zwischen dem hl. Augustinus mit dem bei ihm vorhandenen AnsŠtzen zu einer soteriologisch-ekklesiologischen Sicht des durchbohrten Herzens Jesu bis hin zum hl. Anselm von Canterbury und den auf ihn folgenden mittelalterlichen Heiligen, denen das durchbohrte Herz Jesu bereits Gegenstand der frommen Verehrung geworden ist, besteht scheinbar eine LŸcke von mehr als 500 Jahren, die auf den ersten Blick gekennzeichnet ist durch všlliges Schweigen Ÿber das, was wir Herz-Jesu-Theologie und Herz-Jesu-Fršmmigkeit nennen kšnnen. Dem ist aber nicht so. Dieser Zeitabschnitt des "†bergangs von der patristischen Theologie der gnadenspendenden Seitenwunde Christi zum mittelalterlichen KŸnden vom Herzen Jesu als bewusstem Gegenstand einer besonderen Andacht" ist noch zu wenig erforscht, "eines aber scheint schon klar zu sein: es gibt im Mittelalter nicht eine plštzliche Entdeckung des Herzens Jesu, wie es manche Darstellungen vermuten lassen. Wir stehen vielmehr vor einem allmŠhlichen, sich unbewusst vollziehenden Entwicklungs- und Umwandlungsprozess...Der organische †bergang vollzieht sich einmal auf den Linien der Hohelied-ErklŠrung. Dann trŠgt besonders die angelsŠchsisch-karolingische Theologie die patristische Schau von der Kirche als Braut aus der Seiten-wunde Christi weiter..."[1]  "Die kšnigliche Ecclesia, in goldenem Kelch das Herzblut ihres BrŠutigams auffangend, strahlend in der heiteren MutterwŸrde, die ihr aus solchem Blut geworden ist, die FŸrstin der Všlker: das ist das geliebte Bild, dass die KŸnstler des frŸhen Mittelalters immer wieder formen. Und aus den Inschriften, die sie malen und eingraben, hšren wir den vielleicht feinsten Ton der Kirchenliebe heraus: "Siehe da, die Kirche, wie sie demŸtig war, aber dennoch solcher Gnade wŸrdig, auffŠngt den Blutstrom des Lammes", ist auf dem Buchdeckel des Aschaffenburger Evangeliars in MŸnchen, aus dem 9.Jahrhundert stammend, geschrieben. "Und die gotische Kunst der sogenannten 'Bibles Moralises - etwa in den herrlichen Codices der Wiener Nationalbibliothek - hat den Hervorgang der brŠutlichen Ecclesia aus dem Herzen des Herrn bildlich dargestellt, auch zusammen mit der Darstellung der Taufe, in der ja diese Geburt der Kirche immer neu beginnt und sich vollendet." [2]

"Der †bergang von der patristischen zur mittelalterlichen Denkweise (Ÿber das, was wir Herz-Jesu-Theologie nennen) setzt... schon tief der spŠtantiken Zeit des Christentums an.

Wir finden ihre AnfŠnge bereits in der antiarianisch gefŠrbten Fršmmigkeit der spanischen Kirche und den schon mittelalterlich klingenden gallikanischen Liturgien mit der glŸhenden Liebe zum Blut und zur Seitenwunde des Herrn. Ebenso zeigen sie sich in der irischen Fršmmigkeit. Dabei sind sowohl in der gallikanischen wie in der keltischen Geistigkeit nachweisbar syrische EinflŸsse am Werk. Die syrische Kirche aber pflegte schon lŠngst, seit den Tagen des hl. EphrŠm, eine herzlich innige Andacht zum Leiden, zum Kreuz und zur Seitenwunde des Herrn und vermittelte diese dem Westen.

Der Weg fŸhrt dabei Ÿber Rom, wo syrische PŠpste im 8,Jahrhundert ihr auch Eingang in die ršmische Liturgie verschaffen. Der eigentlichen FrŸhzeit der mittelalterlichen Herz-Jesu-Verehrung ist etwa der Zeitraum 1100-1250 zuzuschreiben mit dem hl. Anselm von Canterbury an der Spitze."3)[3]

Neben dem Hinweis auf die Durchbohrung des Herzens Jesu(vgl. Joh 19,34-36) und auf deren vielsagende symbolische Bedeutung erwŠhnt Johannes als einziger der vier Evangelisten auch eine Szene im šffentlichen Leben Jesu, die fŸr die richtige Deutung der Worte vom Aufschauen zu dem, den sie durchbohrt haben, von ganz gro§er Wichtigkeit ist: Bei Joh 7,37-38 ist die Rede vom letzten Tag des LaubhŸtten-festes, an dem sich Jesus im Tempelhof eingefunden hatte und mit lauter Stimme der Volksmenge zurief: "Wer Durst hat, komme zu Mir, und es trinke, wer an Mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren (=aus seinem Herzen) werden Stršme von lebendigem Wasser flie§en." Das Wasser, das dem Herzen Jesu entstršmt, ist nach der ErklŠrung, die Johannes selber dem Schriftwort angefŸgt hat, der Hl. Geist: "Damit meinte Er den Geist; den jene empfangen sollten, die an Ihn glauben". Mit diesem Text Joh 7,37-38 brachte man die Worte bei Joh 19,34. in Verbindung:"...Einer der Soldaten durchbohrte seine Seite mit einer Lanze; und sogleich floss Blut und Wasser heraus". Dieser Vorgang von der Durchbohrung des Herzens Jesu; dem Blut und Wasser entstršmten, wurde als symbolische ErfŸllung dessen betrachtet, was Jesus im Tempelhof am LaubŸttenfest vorausgesagt hatte, dass nŠmlich lebendiges Wasser aus seinem Herzen stršmen werde. Doch sah man auch dieses Ereignis der Durchbohrung des Herzens Jesu seinerseits wieder als Vorbedeutung fŸr das, was am ersten Pfingstfest geschehen sollte in der Ausgie§ung des Hl. Geistes auf die junge Kirche, die dabei gleichsam Ihre Geburtsstunde erlebte.

Die christliche Tradition bezeugt jedenfalls, wie die Kirche schon frŸhzeitig in der Durchbohrung des Herzens Jesu und im Hervorflie§en von Blut und Wasser einen symbolischen Hinweis auf das Paschamysterium von Tod und Auferstehung Jesu und auf das Mysterium Kirche, ihr Hervorgehen aus der Seite Jesu und ihr ErfŸlltwerden mit dem Hl. Geist gesehen hat. Darauf haben besonders Hugo Rahner SJ in seiner Abhandlung "Flumina de vŽtre Christi: Die patristische Auslegung von Joh 7, 37-38" und S. Tromp SJ in seiner Abhandlung "De nativitate Ecclesiae ex Corde Jesu in cruce" aufmerksam gemacht.

Alles zusammen genommen, was uns im Johannes-Evangelium Ÿber Johannes ("Einer von den JŸngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus lieb hatte" (Joh 13,23)) und von Johannes Ÿber Jesus (Joh 7,36-38 und Joh 19,34 u.37) gesagt wird, berechtigt vollauf, diesen JŸnger Jesu einen "Herz-Jesu-Apostel" zu nennen.



[1] J. Stierli, Cor Salvatoris, S. 78

[2]  H. Rahner, J. Stierli, S. 71

[3] J. Stierli, Cor Salvatoris, S. 78 - 79